Der kalte Fritte

Folge: 1047 | 11. Februar 2018 | Sender: MDR | Regie: Titus Selge
Bild: MDR/Wiedemann & Berg/Anke Neugebauer
So war der Tatort:

Überraschend emotional und brutal – und für einen Tatort aus Weimar damit bemerkenswert.

Denn eines war bei den ersten fünf Fällen aus der Dichterstadt immer gewiss: Beansprucht wurde beim Publikum weniger das Nervenkostüm als vielmehr das Zwerchfell – konnten sich die Zuschauer angesichts der absurden Geschichten, der hohen Gagdichte und der überzeichneten Charaktere doch schließlich gemütlich auf der Fernsehcouch zurücklehnen und sich von den Schmunzelkrimis sanft und geräuschlos in die Sonntagnacht wiegen lassen.

Bevor Der kalte Fritte zu seinem spektakulären Showdown in einem Steinbruch vor den Toren der Stadt ansetzt, ist das diesmal nicht anders: Nachdem die Hauptkommissare Lessing (Christian Ulmen) und Kira Dorn (Nora Tschirner) in einer schmucken Villa den mit gezielten Schüssen in Hirn, Herz und Hoden getöteten Milliardär Alonzo Sassen und seinen ebenfalls erschossenen Mörder Petteri Salokangas (Lars Rudolph, Wie einst Lilly) inspiziert haben, folgt auch schon direkt die amüsanteste Sequenz in diesem Tatort. Lollo Sassen (Ruby O. Fee), die deutlich jüngere und sichtbar aufgewühlte Ehefrau des Milliardärs, hat den Einbrecher in Notwehr ins Jenseits befördert und bereitet den Ermittlern anschließend den wohl scheußlichsten Kaffee zu, den sie ohne Dorns rechtzeitige Intervention je hätten trinken müssen.

Auch Kollege Lupo (Arndt Schwering-Sohnrey) und Kommissariatsleiter Kurt Stich (Thorsten Merten) sind von Beginn an voll in ihrem Element und feuern mit – allerdings selten witzigen – selbstkreierten Redewendungen aus allen Rohren.


STICH:
Ich glaub, mein Hering hupt!


Während Lupo und Stich im Tatort aus Thüringen nie über das Karikatureske hinauskommen, schlagen Regisseur Titus Selge (Am Ende des Tages) und Drehbuchautor Murmel Clausen (Der scheidende Schupo) bei den Verdächtigen ernstere Töne an: Der titelgebende Bordellbesitzer Fritjof "Fritte" Schröder (Andreas Döhler, Freies Land) macht in seinem Schuppen keine Gefangenen und auch sein Bruder Martin (Sascha Alexander Geršak, Im gelobten Land), der mit seiner Frau Cleo (Elisabeth Baulitz) den einleitend erwähnten Steinbruch betreibt, ist anders als die Kripo nicht zu Scherzen aufgelegt.

Auf der Zielgeraden wird es dann schließlich dramatisch, weil die Filmemacher von jetzt auf gleich in eine überraschend harte Gangart wechseln, bei der sich brutal durchs Puffbüro geprügelt oder Felswände in die Luft gesprengt werden: Nach der Reduktion der Gag-Salven sollen wir auf Knopfdruck um das Leben der Kommissarin bangen – eine solche erzählerische Kehrtwende kann natürlich kaum funktionieren, zumal wir erst wenige Minuten zuvor Zeuge dessen wurden, wie Dorn bei einem Undercover-Einsatz an der Tanzstange im Striplokal dermaßen unbeholfen agiert, dass es Waschbärbauch Lessing kaum weniger sexy hinbekommen hätte.

Das gemeinsame Kind der Kommissare bekommen wir auch im 1047. Tatort nicht zu Gesicht, während der Cast kaum gefordert wird: Ruby O. Fee beispielsweise darf deutlich weniger zeigen als bei ihren tollen Auftritten als bockige Teenager-Göre im Stuttgarter Tatort Happy Birthday, Sarah und als freizügige Verbrecher-Komplizin im Kölner Tatort Kartenhaus. Mit Stichs Vater Udo (Hermann Beyer, Borowski und die Sterne) gibt es zwar eine neue, aber kaum weniger holzschnittartige Figur, und seine Trickbetrügereien fallen letztlich kaum origineller aus als bei seinen Pendants im Tatort aus Münster, in dem Professor Karl-Friedrich Boerne (Jan Josef Liefers) in schöner Regelmäßigkeit Verwandte bei sich begrüßt, die in irgendeinem zurechtgeschusterten Zusammenhang zur Auflösung des Mordfalls stehen (zuletzt in Erkläre Chimäre).

Sympathisch überzeichnete Charaktere wie im Vorgänger Der wüste Gobi sucht man in Der kalte Fritte vergebens, und genau da liegt der Hase im Pfeffer: Für eine wirklich spaßige Krimikomödie fehlt es dem sechsten Fall von Lessing und Dorn auch an liebenswerten Nebenfiguren – für einen Whodunit mit Handlung und Herz hingegen an Tiefgang.

So bleibt neben der köstlichen Kaffeekoch-Einlage vor allem das pfiffige Easter Egg in Erinnerung, mit dem Christian Ulmen seinem Jerks-Kumpel Fahri Yardim (im Hamburger Tatort als Yalcin Gümer zu sehen) bei einer Aktensichtung im Präsidium einen versteckten Gruß zukommen lässt.


LESSING:
Hirn, Herz, Hoden, schreibt Hamburg. Hat auch in Stockholm, Prag, Starnberg, Minsk, Kopenhagen Leute liquidiert. Grüße, Yalcin.


Bewertung: 5/10

2 Kommentare:

  1. Die Tatorte werden immer besch... Absurde Geschehnisse mit einer Mischung gewollter Comedy.

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  2. Ich denke, dass dieser Tatort aus Weimar mal wieder recht gut gelungen ist. Der Beginn ist fulminant, der Mittelteil sehr abwechslungsreich und gespickt mit köstlichen Szenen wie Dorns Stripeinlage. Nur das Ende ist komplett übertrieben und bedeutet leider ein wenig Punktabzug, obwohl die entsprechenden Szenen technisch gut umgesetzt sind.
    Herausragend ist allerdings ein schlagfertiger Wortwechsel zwischen Lessing und Dorn, der für mich das Lustigste ist, das dieses Ermittlerduo bisher zu bieten hatte:

    Dorn: Ja, aber warum sagst du nicht einfach "Steinbruch"?
    Lessing: Man nennt das auch das Prinzip der Sparsamkeit. Lex Parsimoniae.
    Dorn: Ja, lex-mich-am-arschiae.
    Lessing: Frau Dorn!

    Einfach klasse und allein schon das Einschalten wert: Damit von mir insgesamt 6/10.

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