Klingelingeling

Folge: 1005 | 26. Dezember 2016 | Sender: BR | Regie: Markus Imboden
Bild: BR/Bavaria Fernsehproduktion GmbH/Bernd Schuller
So war der Tatort:

Rumänisch.

Denn gut die Hälfte aller Figuren in Klingelingeling stammt aus Osteuropa und spricht nur in Landessprache: München ist zur Vorweihnachtszeit fest in der Hand einer rumänischen Bettelbande, die ihr Quartier in einer leerstehenden Fabrikhalle am Stadtrand aufgeschlagen hat und Tag für Tag in die Innenstadt pendelt, um rund um den Weihnachtsmarkt die im Dezember traditionell hohe Spendenbereitschaft der Deutschen auszunutzen.

Drehbuchautorin Dinah Marte Golch (Einmal wirklich sterben) hat ein sehr passendes Thema für den Weihnachtstatort 2016, dessen Titel bewusst doppeldeutig gewählt ist, gefunden – und Regisseur Markus Imboden, der auch den Vorgänger-Tatort Wendehammer aus Frankfurt inszenierte, bringt die Ermittlungsarbeit gekonnt mit stimmungsvollen Adventsbildern in Einklang.

Vor allem die erste Krimihälfte steht ganz im Zeichen des Vorweihnachtstrubels: In der Kantine des Präsidiums schallt ein lautstarkes "Stille Nacht, heilige Nacht" aus den Kehlen des Polizeichors, im Kollegenkreis werden feierlich Wichtelgeschenke verteilt und das traditionelle Gansessen am Heiligabend will auch noch rechtzeitig geplant werden.

Die Filmemacher nutzen die Gelegenheit für ein paar gelungene Gags und generieren damit einige Lacher: Während beim alleinstehenden Hauptkommissar Ivo Batic (Miroslav Nemec) fast im Zehn-Minuten-Takt Absagen für eine gemeinsame Feier am 24. Dezember eintrudeln, graut seinem Kollegen Franz Leitmayr (Udo Wachtveitl) vorm besinnlichen Feiern mit seiner nervtötenden Mutter, für die er einfach kein passendes Präsent findet. Sein enttäuschendes Wichtelgeschenk aus dem Vorjahr hingegen landet beim heimlichen Weiterverschenken genau beim richtigen Adressaten: Assistent Kalli Hammermann (Ferdinand Hofer) freut sich darüber wie ein Schneekönig.


LEITMAYR:
Was ist denn das für eine grässliche Brühe?

HAMMERMANN:
Das ist mein Wichtelgeschenk. Kaffee mit Spekulatiusgeschmack!


Kontrastiert werden diese heiteren Töne mit den tristen Bildern aus dem Armenmilieu, die an den Münchner Tatort Schattenwelt oder den Kölner Tatort Platt gemacht erinnern: Dass die Hauptkommissare in Klingelingeling auf den Plan gerufen werden, liegt am Fund eines toten Neugeborenen, das jemand in einer Kirche am Alten Südfriedhof abgelegt hat, wo die obdachlosen Werner (Wolfgang Pregler, Freigang) und Andy (Ferdinand Dörfler, Todesangst) Quartier bezogen haben.

Während der Zuschauer um die Vorgeschichte des getöteten Kindes weiß, müssen sich Batic und Leitmayr alles mühsam erarbeiten: Ins Visier der Ermittler gerät die rumänische Bettelbande unter Leitung des skrupellosen Clanchefs Radu Stelica (Florin Piersic jr.) und des Busfahrers Klaus Bernauer (Florian Karlheim, Ein neues Leben), zu der auch die jungen Schwestern Tida (Mathilde Bundschuh, gab uns im Vorfeld ein lesenswertes Interview) und Anuscha Dablika (Cosmina Stratan) zählen.

Als klassischer Whodunit funktioniert die 1005. Ausgabe der Krimireihe dank der ausführlichen Einleitung aber nur sehr bedingt, denn auch die obligatorische zweite Tatort-Leiche dürfte nur wenigen Zuschauern Rätsel aufgeben. In erster Linie geht es aber auch um etwas anderes: Die Filmemacher entführen das Publikum in die glaubwürdig skizzierte Bettlerszene, deren Strukturen von Angst, Gewalt und finanzieller Abhängigkeit geprägt sind.

Viel Neues haben sie allerdings nicht zu erzählen: Die Mechanismen sind überwiegend bekannt und die Ohnmacht des Polizeiapparats gegenüber der organisierten Kriminalität wurde in den letzten Tatort-Jahren schon deutlich mitreißender illustriert – zum Beispiel in Zahltag oder in Deckname Kidon. Antriebsfeder der Geschichte ist daher eher das Schicksal der rumänischen Schwestern, die auf den kalten Straßen der bayrischen Landeshauptstadt zwischen alle Fronten geraten.

Gemessen am herausragenden letzten Münchner Tatort Die Wahrheit, der mit einem ungewohnten Cliffhanger für Gesprächsstoff sorgte und in Der Tod ist unser ganzes Leben fortgesetzt wird, ist Klingelingeling damit eine kleine Enttäuschung: Spannungsmomente sind ebenso rar gesät wie Überraschungen und die letzten Minuten driften sogar in den Kitsch ab, wenn auf Kommando die ersten Schneeflocken vom Himmel fallen.

Immerhin: Batic und Leitmayr finden für ihre Heiligabendprobleme eine gute Lösung – und das ist in einem Weihnachtskrimi wie diesem ja vielleicht auch die Hauptsache.

Bewertung: 6/10

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