Borowski und das verlorene Mädchen

Folge: 999 | 6. November 2016 | Sender: NDR | Regie: Raymond Ley
Bild: NDR/Christine Schroeder
So war der Tatort:

Islamfixiert.

Denn nicht zum ersten Mal halten radikale Muslime Einzug in die beliebteste deutsche Krimreihe: Im hochspannenden Hamburger Meilenstein Der Weg ins Paradies durchkreuzte zum Beispiel Undercover-Ermittler Cenk Batu (Mehmet Kurtulus) die Pläne islamistischer Massenmörder, während die Bundespolizisten Thorsten Falke (Wotan Wilke Möhring) und Julia Grosz (Franziska Weisz) im sehenswerten Terror-Krimi Zorn Gottes einen Anschlag am Flughafen in Hannover verhinderten.

Nun greifen die Tatort-Debütanten Charlotte Pehlivani (Drehbuch) und Raymond Ley (Regie) in Borowski und das verlorene Mädchen erneut ein aktuelles Thema auf: Die Radikalisierung junger Muslime ist im Herbst 2016 ein vieldiskutiertes Problem und beschäftigt daher auch die anschließende Talkrunde mit Anne Will.

Den Fokus legen sie dabei aber nicht auf das Verhindern eines Terroranschlags: Statt die Kieler Hauptkommissare Klaus Borowski (Axel Milberg) und Sarah Brandt (Sibel Kekilli) bei einem Wettlauf gegen die Zeit nach einem Attentäter suchen zu lassen, beschäftigen sich die Filmemacher mit der Frage, was die intelligente deutsche Schülerin Julia Heidhäuser (Mala Emde, Schmuggler) dazu bringen kann, ihren bisherigen Werten abzuschwören und sich vom zweifelhaften Weltbild des sogenannten Islamischen Staats verführen zu lassen.

Die Ermittlungen führen direkt in eine Moschee: Dort duldet der undurchsichtige Imam Abu Abdullah (Ferhat Keskin, Im Abseits) neben gemäßigten Muslimen auch den frisch aus der Haft entlassenen Gewalttäter Hasim Mahdi (Dogan Padar) und einen islamistischen Hassprediger, der sein krankes Gedankengut beinahe ungestört unters Volk bringen kann. Nach dem einleitenden Tod der umtriebigen jungen Mutter Maria (Franziska Brandmeier), die sich bis zu ihrem Ableben am Hörer einer Sex-Hotline was dazu verdient hat, ermitteln die Kommissare aber noch an einer zweiten Front.


BRANDT:
Sie haben da jetzt aber nicht mit Ihrem Diensthandy angerufen, oder?

BOROWSKI:
Doch, natürlich. Das war ja auch ein Dienstgespräch.


Unter dem Strich wird man das Gefühl nicht los, dass sich ein paar Nebenfiguren zuviel in diesem Krimi tummeln und die Charakterzeichnung mit Blick auf den zweiten Handlungsstrang fast zwangsläufig auf der Strecke bleiben muss: Borowski und Brandt, die in der ersten Krimistunde ein wenig lustlos wirken, müssen sich neben der Muslimin Amina Jaschar (Sithembile Menck), Julias Mutter (Patrycia Ziolkowska, Häuserkampf) und ihrem Bruder Nils (Sven Schelker) auch noch mit drei Mitschülerinnen der Toten auseinandersetzen – eine Annäherung an das Seelenleben dieser Figuren findet lediglich im Falle der verzweifelten Mutter statt.

Als realitätsnahe Auseinandersetzung mit der Radikalisierung junger Muslime funktioniert der 999. Tatort trotz kleinerer Klischeefallen allerdings ziemlich gut, wenngleich der Tod von Julias Vater als Auslöser für deren Sinneswandel und die damit einhergehende Aussicht auf eine Zwangsheirat etwas behauptet wirkt.

Auf Betriebstemperatur kommen die Komissare aber erst nach dem Fund der obligatorischen zweiten Leiche, und auch die abrupte Auflösung der klassischen Whodunit-Konstruktion fällt wenig überzeugend aus: Am Ende scheint noch schnell ein/e Mörder/in herzumüssen, dabei hätte die viel interessantere Geschichte um Julias geplante Reise in den Nahen Osten ohne den Auftaktmord kaum schlechter funktioniert.

Und dann ist da noch ein prominenter Gaststar: Der deutsche Hollywood-Export Jürgen Prochnow (Schlafende Hunde) mimt in Borowski und das verlorene Mädchen mit dem Staatsschutz-Kollegen Kesting wie schon viele andere Schauspieler vor ihm einen skrupellosen Störenfried einer höheren Behörde, der sich für den Mordfall kaum interessiert und alles seinen eigenen Interessen unterordnet. So lässt sich nach den Reibereien mit den Kommissaren mal wieder die Uhr stellen.

Anders als die glänzend aufgelegte Jungschauspielerin Mala Emde, die bereits bei Meine Tochter Anne Frank mit Regisseur Raymond Ley zusammenarbeitete und für diese Hauptrolle den Bayerischen Fernsehpreis erhielt, wird Prochnow in seiner Rolle allerdings kaum gefordert – rechtfertigt in diesem ungewohnt mittelmäßigen Kieler Tatort aber zumindest den Auftritt von Kriminalrat Roland Schladitz (Thomas Kügel), der ansonsten wie das fünfte Rad am Wagen wirkt und natürlich sofort kuscht, wenn der einflussreiche Kollege im Präsidium aufschlägt.

Bewertung: 6/10

7 Kommentare:

  1. Ein Flüchtling/Islam Tatort, wie originell. Man brauch Tatort echt nicht mehr schauen, ist nur Teil von Volkserziehung. Nur das der hier noch besonders Langweilig ist.

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  2. Wofür sind die 6 Punkte? Fürs Thema? Der erste Mord wird schlampig aufgeklärt, was es mit dem Streit auf sich hatte ist unklar. Dann sind da noch die guten Cops, die das Mädchen vor den Fängen des Islam retten wollen, und der böse Staatsschutz, der das Mädchen instrumentalisiert. Wie platt und oft gesehen ist das denn?

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  3. Ich bin wirklich niemand der unnötige Kritik geben möchte, aber dieser Tatort war wirklich nicht gut. Bereits nach weniger als 10 Minuten dachte ich mir das wird nichts mehr und genauso ist es auch gekommen. Muss dieses Thema den wirklich am Sonntagabend nochmal aufgegriffen werden nachdem man es schon tagtäglich hört. Dann würde es auch noch schlampig umgesetzt und schlecht inszeniert. Wofür zahlen wir den alle soviel Gebühren wenn man am Sonntagabend mit so einer Sendung abgespeist wird. Ich möchte nicht sagen, dass ich es besser könnte, aber vielleicht sollten die Verantwortlichen die Verantwortung an andere Mitarbeiter abgeben wenn Sie am Ende nur ein solches Trauerspiel eines Tatorts produzieren können.

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  4. Dieser Tatort war, wie viele vorher, wieder einmal ganz grosse Scheiße.

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    1. Schade um die Produktionskosten.
      Die Tatortmacher haben wohl die Meinungsforscher zur Ermittlung des Publikumgeschmacks die auch den Brexit und die Trump Wahl vorausgesagt haben.

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  5. der schlechteste Tatort aller Zeiten, das lag aber nicht nur an den Darstellern

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