Einmal wirklich sterben

Folge: 965 | 6. Dezember 2015 | Sender: BR | Regie: Markus Imboden
Bild: BR/Bernd Schuller
So war der Tatort:

Zoologisch.

Große Teile des 71. Falls von Ivo Batic (Miroslav Nemec) und Franz Leitmayr (Udo Wachtveitl) spielen nämlich im Münchner Tierpark Hellabrunn – dort suchen die altgedienten bayrischen Hauptkommissare nach einer Tierpflegerin, die einen kleinen Jungen entführt und vielleicht sogar die neue Frau ihres verhassten Vaters getötet hat. Vielleicht.

Drehbuchautor Claus Cornelius Fischer (Schneetreiben) kombiniert in seinem zweiten Tatort Einmal wirklich sterben eine klassische Whodunit-Konstruktion mit einem wuchtigen Familiendrama, dessen Spuren 15 Jahre in die Vergangenheit reichen: Der um Haus und Handwerksbetrieb gebrachte Familienvater Daniel Ruppert (Harald Windisch, Grenzfall) tötete einst seine Frau und seinen Sohn – nur seine kleine Tochter Ella (Anna Junghans), die heute unter dem Namen Emma Meyer (starkes Debüt: Anna Drexler) in München lebt, ließ er leben. Emma ist es dann auch, die sich im Hier und Jetzt seinen sechsjährigen Sohn Quirin (Florian Mathis) schnappt und im Tierpark versteckt – unbehelligt von Kollegen oder Zoo-Besuchern, die die Anlage nach 18 Uhr nicht mehr betreten dürfen.

Schon der bedeutungsschwanger in Szene gesetzte Auftakt des Films legt nahe, dass in diesem tierischen Tatort auch die Verpackung zählt: Drei Zebras traben zu melancholischem Kindergesang in Zeitlupe durch ein nächtliches Gehege – einen tieferen Sinn offenbart diese seltsame Eröffnung allerdings nicht. Auch die Inszenierung der Schlüsselsequenz verkommt durch ihre dreimalige Wiederholung zum kitschigen Selbstzweck: Spätestens, wenn die verstörte Ella zum dritten Mal auf einer grünen Wiese vor ihrem unzurechnungsfähigen Vater flieht, stellt sich beim Betrachter ein gewisser Ermüdungseffekt ein.


RUPPERT:
Lauf, Schneeflöckchen, lauf!


Dem leinwanderfahrenen Regisseur Markus Imboden, der im ersten Tatort-Anlauf das desaströse Flückiger-Debüt Wunschdenken inszenierte, gelingt es auch diesmal nur selten, seinen Krimi auf Touren zu bringen. Das liegt aber auch am dialoglastigen Drehbuch: Der mit reichlich Kamerapräsenz bedachte Quirin sagt bis zum Schluss zwar nur wenige Worte, doch dafür reden alle anderen umso mehr.

Während sich die Ermittler mühsam von Befragung zu Befragung hangeln und hier und da in Küchenpsychologie versuchen, erledigen die in Die letzte Wiesn fast zu Statisten degradierten Kalli Hammermann (Ferdinand Hofer) und Christine Lerch (Lisa Wagner) viel Fließarbeit im Präsidium.

So hat der 965. Tatort trotz Außendreh im Tierpark seine stärksten Momente im Büro: Die mit reichlich bayrischem Zungenschlag durchsetzten Dialoge sitzen, weil die eingespielte Routine zwischen Batic und Leitmayr immer wieder gekonnt aufgebrochen und hier und da mit sympathischem Witz unterlegt wird. Neben einem köstlichen Anruf von Leitmayr, der sich mit verstellter Stimme als Angestellter der Stadtwerke ausgibt, ist die beste Sequenz des Krimis die Begegnung mit dem Augsburger Kollegen Xaver Busch (Klaus Pohl): Der kauzige Hauptkommissar bringt wie einst Bernhard "Opa" Sirsch (Fred Stillkrauth) im Meilenstein Der oide Depp wie selbstverständlich Alkohol mit ins Präsidium und leistet lieber persönlich Amtshilfe, als die Berichte einfach durchzuschicken ("Ich hab gedacht, wir gehen erstmal frühstücken!").

Wirklich spannend ist Einmal wirklich sterben dann am Schluss – doch wer 1 und 1 zusammenzählen kann, ist in Sachen Auflösung bis dahin längst auf der richtigen Fährte. Neben der abgetauchten Emma gibt es mit deren Freundin Lissy Berger (Andrea Wenzl, Kaltstart) und Quirins leiblichem Vater Bernhard Helmbrecht (Simon Schwarz, sonst als Inkasso-Heinzi im Wiener Tatort zu sehen) nämlich nur zwei weitere Verdächtige.

So können auch die sonnigen Frühlingsbilder, die guten Schauspieler und die hübschen Tierpark-Impressionen nicht über die Mankos dieses mittelprächtigen Krimis hinwegtäuschen: zu wenig Gänsehautmomente, zu viele Dialoge und allenfalls mäßig interessante Figuren.

Bewertung: 5/10

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