Verbrannt

Folge: 957 | 11. Oktober 2015 | Sender: NDR | Regie: Thomas Stuber
Bild: NDR/Alexander Fischerkoesen
So war der Tatort:

Brandaktuell – und das im wörtlichsten Sinne.

Zweieinhalb Jahre nachdem die Hauptkommissare Thorsten Falke (Wotan Wilke Möhring) und Katharina Lorenz (Petra Schmidt-Schaller) bei ihrem starken Debüt Feuerteufel einen Brandstifter jagten, ermitteln sie diesmal gegen zündelnde Kollegen: In Salzgitter wird ein afrikanischer Asylbewerber, dem die Ermittler Kontakte zu Schleuserbanden unterstellen, nach einer Verfolgungsjagd per pedes über Nacht in Polizeigewahrsam genommen – und liegt am nächsten Morgen Verbrannt in seiner Zelle.

Mitten in Zeiten der europäischen Flüchtlingskrise entspinnen Regisseur Thomas Stuber und Drehbuchautor Stefan Kolditz (Das Muli) ein beklemmendes Szenario: Der Mann aus Mali wurde zu Unrecht inhaftiert und hinter Gittern auf grausamste Art und Weise ermordet. Die Vorlage für den 957. Tatort liegt zehn Jahre zurück: Kolditz arbeitet den realen Fall von Oury Jalloh aus Sierra Leone auf, der 2005 in einer Dessauer Gefängniszelle verbrannte. Zwar wurde nach jahrelangen Prozessen ein Polizist wegen fahrlässiger Tötung zu einer Geldstrafe verurteilt, doch sind die genauen Todesumstände bis heute ungeklärt.

Genau hier setzen die Filmemacher an: Falke und Lorenz bekommen nach einer starken Einleitung, in der Falke dem aufmüpfigen Flüchtenden mehrfach ins Gesicht schlägt, einen reizvollen Whodunit serviert und stoßen bei ihren Nachforschungen auf dem Revier von Dienststellenleiter Werl (Werner Wölbern, Kollaps) auf eine Mauer des Schweigens. Einzig die labile Polizistin Maria Sombert (überzeugend: Annika Kuhl, Er wird töten) ist schnell als schwächelndes Glied in der Kollegen-Kette ausgemacht.

Aus Verbrannt, der vor der TV-Premiere auch in 160 deutschen Kinos zu sehen war, hätte ein bärenstarker Krimi werden können – wären da nicht die vorhersehbare Auflösung und das schwache Schlussdrittel, die den bis dato guten Gesamteindruck schmälern. Dass sich der Afrikaner, den die Beamten in seiner Zelle mit Handschellen fixiert haben, kaum selbst hat umbringen können, ist früh offensichtlich, und so dudelt bei einer Grillfeier unter Polizisten erst Black Magic Woman, dann Andreas Bouranis WM-Hit Auf uns ("Hier geht jeder für jeden durchs Feuer") im Hintergrund: Zwei doppeldeutige, bitterböse Details, die Krimi-Kennern auf Tätersuche kaum entgehen dürften.

Trickreiche Vertuschungsversuche des Mörders sucht man indes vergebens: Obwohl der Gesuchte nach einer auffallend kurzen Auftaktbefragung lange Zeit aus dem Blickfeld gerät, ist er schon nach einem kurzen Wortwechsel geständig. Es greifen die üblichen Tatort-Mechanismen, während der "institutionelle Rassismus", den Kabarettist Serdar Somuncu bei seinem bissigen Gastauftritt als Anwalt des Toten anführt, in einer etwas übertriebenen Referenz auf Siegfried-Mörder Hagen von Tronje aus der Nibelungen-Sage gipfelt: Hier wäre weniger mehr gewesen.

Ähnlich wie zuletzt die Schweizer Kollegen in Schutzlos hätten sich die Filmemacher intensiver der Perspektivlosigkeit von Flüchtlingen widmen können, verschwenden stattdessen aber wertvolle Zeit für eine halbherzige falsche Fährte um den verdächtigen Dr. Arnold (Peter Jordan, Häuserkampf) und breiten die Gefühlswelt der Kommissare aus, die sich bereits in Die Feigheit des Löwen näherkamen. Das wirkt stellenweise unbeholfen und gerät auf der Zielgeraden zu kitschig, geht aber zumindest nicht auf Kosten der Spannung. So wird der scheidenden Petra Schmidt-Schaller nach dem enttäuschenden Bunny-Tatort Frohe Ostern, Falke zumindest ein würdiger Abschied zuteil.

Gänzlich auf diesen verzichten muss Nebendarsteller Sebastian Schipper, der seinem Ärger über die zunehmend überflüssige Rolle als Kumpel-Kommissar Jan Katz Luft machte und prompt vor die Tür gesetzt wurde. Stattdessen gibt es in Verbrannt ein Wiedersehen mit Jungschauspieler Julius Feldmeier – der spielte bereits im Münchner Vorgäner Die letzte Wiesn eine Schlüsselrolle und feiert diesmal einen ganz ähnlichen Abgang.

Bewertung: 6/10

Hier geht jeder für jeden durchs Feuer:

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