Die letzte Wiesn

Folge: 956 | 20. September 2015 | Sender: BR | Regie: Marvin Kren
Bild: BR/Wiedemann Berg Television/Bernd Schuller
So war der Tatort:

Festlich.

Nachdem Ivo Batic (Miroslav Nemec) und Franz Leitmayr (Udo Wachtveitl) 2007 im Tatort A gmahde Wiesn erstmalig Oktoberfest-Luft schnuppern, aber nur inmitten der Vorbereitungen auf das größte Volksfest der Welt ermitteln durften, schickt Regisseur Marvin Kren (Kaltstart) die Münchner Hauptkommissare in Die letzte Wiesn an die Front: Im fiktiven Amperbräu-Festzelt suchen Batic und Leitmayr zwischen Bierbänken und Zapfanlagen  nach einem gefährlichen Serientäter. Der kippt den Atemlos gröhlenden Schunklern heimlich Liquid Ecstasy – kurz GHB – in ihre Maßkrüge, und das führt schon bald zu ersten Toten.

Die Drehbuchautoren Stefan Holtz und Florian Iwersen entwerfen ein unübersichtliches Wimmelbild-Szenario, schöpfen das Potenzial ihrer reizvollen Location aber nicht ganz aus: Mit Einzelgänger Arthur Graensel (Julius Feldmeier, Die Ballade von Cenk und Valerie), der sich mit Alltagsoutfit, Kopfhörern und unerschütterlich ernster Miene allzu stark vom Trachtenvolk abhebt, hat der Zuschauer die gesuchte Nadel im Heuhaufen schnell identifiziert.

Nennenswertes Profil verleihen die Filmemacher dem einsamen U-Bahn-Fahrer auch nicht, und ein nächtlicher Besuch der Kommissare in dessen Wohnung – gurrender Auftritt einer weißen Taube inklusive – driftet gar seltsam ins Groteske ab. Deutlich gelungener ist da eine Stippvisite bei Leitmayr: Der Wiesn-Hasser hat vorübergehend schwedische Zwischenmieterinnen in seiner Wohnung einquartiert, übernachtet spontan in der Badewanne und überrascht eine der beiden Dirndl-Damen prompt bei ihrer Morgentoilette.


LEITMAYR:
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Die authentisch arrangierte Volksfest-Atmosphäre, in die zuletzt auch die Weimarer Kollegen Lessing (Christian Ulmen) und Dorn (Nora Tschirner) auf dem Rudolstädter Vogelschießen eintauchten (vgl. der Der irre Iwan), bildet die Kulisse für einen stimmungsvollen Krimi, der aber nur selten aus dem konventionellen Schema ausbricht.

Das Drehbuch lässt die Klasse vieler anderer jüngerer Tatort-Folgen aus der Isarstadt (man denke an Der tiefe Schlaf oder Am Ende des Flurs) vermissen, was auch daran liegt, dass die Nebenfiguren nur grob skizziert werden: Besonders zeigt dies der uninspirierte, wenn auch mit reichlich Lokalkolorit durchsetzte Handlungsstrang um die Methoden von Wiesn-Wirtin Kirsten Moosrieder (Gisela Schneeberger), die die Geschäfte ihres verstorbenen Mannes übernommen hat.

Die Filmemacher verleihen weder der aufbrausenden Wirtin, noch ihrem Assistenten Georg Schemberg (Daniel Christensen, Bluthochzeit) oder Restaurantleiter Korbinian Riedl (Leo Reisinger) so viel charakterliche Ambivalenz wie der alleinerziehenden Bedienung Ina Sattler (Mavie Hörbiger, Willkommen in Hamburg). Dieser auffallende Fokus auf die Schlüsselfigur des Films macht den 956. Tatort zu vorhersehbar, wenngleich sich Hörbiger ein Sonderlob verdient: Die Schauspielerin balanciert die vollen Masskrüge gekonnt durchs Mittelschiff und dürfte nach den Dreharbeiten gehörigen Muskelkater verspürt haben.

Während die physischen und psychischen Anforderungen an die gestressten Servicekräfte fein herausarbeitet werdem, fehlt es dem Tatort aber sonst oft an der Substanz: Eher albern wirkt der bemühte Lederhosen-Auftritt von Assistent Kalli Hammermann (Ferdinand Hofer), und die wagen Mutmaßungen von Fallananalytikerin Christine Lerch (Lisa Wagner) vermitteln den Eindruck, dass die zum Stammcast gehörende Figur noch irgendwie im Tatort untergebracht werden musste. Auch der amüsante Besuch von Batic' kroatischen Tanten, der die Erklärung für den Krimititel Die letzte Wiesn liefert, bringt die Geschichte nicht voran.

So steht unter dem Strich ein eher mittelprächtiger Oktoberfest-Krimi, der seine stärksten Momente direkt an der Festzeltfront hat.

Bewertung: 5/10

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