Todesschütze

Folge: 852 | 2. Dezember 2012 | Sender: MDR | Regie: Johannes Grieser
Bild: MDR/Junghans
So war der Tatort:

Zivilcouragiert.

Und damit nah dran an realen Schreckensbeispielen wie dem Fall Dominik Brunner, der 2009 an einer Bahnstation in München-Solln zum Opfer eines tödlichen Gewaltverbrechens wurde (vgl. Gegen den Kopf). Pünktlich zur Erstausstrahlung von Todesschütze gab Simone Thomalla, die als Hauptkommissarin Eva Saalfeld wieder gemeinsam mit Andreas Keppler (Martin Wuttke) auf Tätersuche in Leipzig geht, aber auch ihre eigene Erfahrung zu Protokoll: In einer Bahn griff sie einst beherzt ein, als eine junge Frau von zwei Männern attackiert wurde, aber dank Thomallas Einsatz mit dem Schrecken davon kam.

In Todesschütze fehlt die Leiche in der ersten Dreiviertelstunde ebenfalls: Das Ehepaar Anne (Natascha Paulick) und René Winkler (Stefan Kurt, Veras Waffen) wird in einem Park von drei Jugendlichen fast totgetreten, überlebt aber schwerverletzt. Dennoch werden Keppler und Saalfeld von der Mordkommission auf den Fall angesetzt – und ermitteln schon bald in den eigenen Reihen, weil die zwielichtigen Kollegen Phillip Rahn (der spätere Hamburger Tatort-Kommissar Wotan Wilke Möhring, Pauline) und Peter Maurer (Rainer Piwek, Das namenlose Mädchen) die Jugendlichen am Tatort vertrieben, aber keinen der in ihrem Revier schon häufiger straffällig gewordenen Täter erkannt haben wollen.

Auch weil das eingespielte Autorenduo um Mario Giordano und Andreas Schlüter den drei Jugendlichen immer wieder Szenen ohne Kamerapräsenz der Kommissare zugesteht, muss man kein großer Prophet sein, um vorherzusehen, dass bei der Sache irgendwas nicht stimmt: Der Zuschauer ist Keppler und Saalfeld bei den Ermittlungen meist eine Nasenlänge voraus.

Erfreulicherweise verkommt Todesschütze dabei nicht zum zu befürchtenden, flammenden Plädoyer für mehr Zivilcourage – müde Stammtischweisheiten wie die von Maurers Ehefrau Frauke (Winnie Böwe) bleiben die Ausnahme.


MAURER:
Es gibt immer weniger Leute mit Zivilcourage. Die meisten gucken doch einfach weg.


Schon unzählige Tatort-Folgen (man denke nur an den Odenthal-Rohrkrepierer Der Wald steht schwarz und schweiget oder den Berliner Tatort Dinge, die noch zu tun sind) scheiterten an der halbwegs glaubhaften Skizzierung jugendlicher Straftäter – der 852. Tatort gehört erfreulicherweise nicht dazu.

Wenngleich Regisseur Johannes Grieser (Scherbenhaufen) das Trio Infernale in der ersten Krimihälfte dazu nötigt, in so gut wie jeder Szene halbvolle Bierdosen in der Hand zu halten und die Cliquenhierarchie sehr klassisch ausfällt, wirken die Streitgespräche und Gewaltszenen für Tatort-Verhältnisse über weite Strecken authentisch.

Und spätestens, als nach einer knappen Stunde plötzlich ein toter Polizist zu beklagen ist, kommt Todesschütze sogar richtig in Fahrt – gipfelnd in einem spannenden Showdown samt Geiselnahme, bei dem Keppler seine mangelhaften Qualitäten als Autofahrer unter Beweis stellen darf.

Damit ist dieser Film eindeutig eine der besseren Tatort-Folgen aus Leipzig, der den kitschigen Cocktailabend am Pensionstresen, der die Handlung zwischenzeitlich komplett ausbremst, und den eher unfreiwillig komischen Berserker-Auftritt des wütenden Winkler, der die Teenager wie von Sinnen mit einem Elektroschocker malträtiert, eigentlich gar nicht nötig hat.

Bewertung: 6/10

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