Es ist böse

Folge: 836 | 22. April 2012 | Sender: HR | Regie: Stefan Kornatz
Bild: HR
So war der Tatort:

Überladen.

Den dritten Einsatz der Frankfurter Hauptkommissare Frank Steier (Joachim Król) und Conny Mey (Nina Kunzendorf) inszeniert Stefan Kornatz (Mord auf Langeoog), Lars Kraume (Borowski und der brennende Mann) zeichnet diesmal nur für das Drehbuch verantwortlich: Der Lebensgefährte von Hauptdarstellerin Kunzendorf adaptiert nach Der Tote im Nachtzug zum zweiten, aber nicht zum letzten Mal eine Buchvorlage von Profiler Axel Petermann.

Literatur auf 90 Minuten TV-Krimi herunterzubrechen, gestaltet sich bekanntermaßen schwierig – und auch in Es ist böse hat man häufig den Eindruck, dass Kraume einfach viel zu viel in seinem Drehbuch unterbringen will.

Der offen schwelende Konflikt zwischen Mey und ihrem ungeliebten Kollegen Seidel (Peter Kurth, Eine bessere Welt), die Methoden des (natürlich, im Tatort immer) schmierigen Polizeireporters Eggers (Martin Kiefer, Heimatfront), der amüsante Grund für Steiers neue Frisur ("Sagen Sie mal, haben Sie was mit Ihren Haaren gemacht?") oder die einseitige Beziehung zwischen der dominanten Rita und dem verklemmten Holger – jeder dieser Handlungsstränge bietet Potenzial, doch angemessen ausgearbeitet wird nur der erste.

Die Anfeindungen zwischen Seidel und Mey, die diesmal in weißen Cowboystiefeln zu weißer Hose und weißem Oberteil unterwegs ist, dominieren das komplette erste Filmdrittel – Frank Steier spielt lange Zeit nur die zweite Geige im Tatort-Orchester.

Der Hessische Rundfunk rekrutiert für Es ist böse eine ganze Reihe bekannter TV-Gesichter: Neben Lisa Wagner (Nie wieder frei sein) zählen auch der erfahrene Uwe Bohm (Waffenschwestern) oder David Scheller (Fette Krieger) zum Cast. Ausgerechnet diesen Tatort-Urgesteinen gelingt es aber nicht, sich nachhaltig in den Vordergrund zu spielen: Wagners aufbrausende Rita nervt schon in der ersten Sequenz, Bohm trägt oft zu dick auf und Schellers Auftritt dauert kaum länger als eine Minute.

In die Bresche springt dafür Tatort-Debütant Marc Bischoff, der dem psychisch gestörten Hauptverdächtigen Profil verleiht, ohne es in Sachen Mimik oder mit bedeutungsschwangeren Gesten zu übertreiben.

Die Auflösung ist bereits nach einer Stunde offensichtlich – da ist es umso bemerkenswerter, dass der 836. Tatort auf der Zielgeraden doch noch zu ganz großer Form aufläuft. Der dritte Fall von Steier und Mey knüpft in dieser Hinsicht nämlich nahtlos an den zweiten an: Einfach den Täter verhaften und Feierabend machen ist dem Frankfurter Duo zu einfach.

Erfreulich.

Bewertung: 6/10

Ihr Kinderlein kommet

Folge: 835 | 9. April 2012 | Sender: WDR | Regie: Thomas Jauch
Bild: WDR/Willi Weber
So war der Tatort:

Ein wenig spannender als der Vorgänger – immerhin.

Während Kinderland, der erste Teil des Tatort-Zweiteilers zu Ostern 2012, noch weitestgehend höhepunktfrei vor sich hin plätscherte, schlagen die Filmemacher in Ihr Kinderlein kommet erfreulicherweise ein deutlich höheres Tempo an.

Kein Wunder: Das gegenseitige Beschnuppern der Kölner Hauptkommissare Max Ballauf (Klaus J. Behrendt) und Freddy Schenk (Dietmar Bär) und ihren Leipziger Kollegen Eva Saalfeld (Simone Thomalla) und Andreas Keppler (Martin Wuttke) wurde schon weitestgehend im Vorgänger abgefrühstückt.

Die Pärchen-Konstellation ist im 834. und im 835. Tatort identisch: Während Schenk weiterhin mit Saalfeld anbändeln darf, proben Keppler und Ballauf erneut die kölsch-sächsische Völkerverständigung – ohne dabei aber an die stimmige Chemie anknüpfen zu können, die die Zusammenarbeit mit dem früheren Leipziger Duo Kain und Ehrlicher in Quartett in Leipzig und Rückspiel kennzeichnete.

Die Verkrampftheit, die bereits in Kinderland auffällt, können die Beteiligten auch in der oft konstruiert anmutenden Fortsetzung selten ablegen: Bemüht verweigert Keppler das finale Kölsch an der Wurstbraterei, während Schenk und Saalfeld sich schüchtern Wangenküsschen geben.

Erfreulicherweise landen zumindest der kurze Dialog auf dem Kölner Autobahnkreuz ("Keine Sorge, ich will hier nicht mein Beinchen heben.")  und Kepplers provokante Andeutungen im Hinblick auf das ehepaarähnliche Auftreten der Kölner Kollegen im Ziel.

Überraschende Wendungen bleiben in Ihr Kinderlein kommet leider aus – bei drei männlichen und einer weiblichen Ermittlerin muss man auch kein großer Prophet sein, um vorherzusagen, wer am Ende in letzter Sekunde aus den Fängen des Kriminellen gerettet werden muss.

Größter Minuspunkt des ansonsten soliden Drehbuchs ist aber der Verzicht auf jegliche charakterliche Skizzierung des psychopathischen Entführers: Muttersöhnchen-Outfit mit Hemd und spießigem Pullunder, schüchternes Auftreten, hohe Stirn – natürlich, der klassische Serientäter. Hübsches blondes Mädchen, das im roten Kleid zurecht gemacht wird – natürlich, sein klassisches Opfer.

Da bleibt der köstliche Auftritt von Tatort-Stammgast Jan Henrik Stahlberg (Herzversagen) dank Werbefuzzi-Sprüchen und ausufernder Schwulenparty noch am positivsten in Erinnerung.

Bewertung: 6/10

Kinderland

Folge: 834 | 8. April 2012 | Sender: MDR | Regie: Thomas Jauch
Bild: MDR/Junghans
So war der Tatort:

Von der Idee her zunächst mal nicht ganz neu.

Schließlich gab es die Tatort-Kooperation zwischen Leipzig und Köln bereits zweimal: Im Jahr 2000, als das Quartett in Leipzig – bestehend aus Max Ballauf (Klaus J. Behrendt), Freddy Schenk (Dietmar Bär), Kain (Bernd Michael Lade) und Bruno Ehrlicher (Peter Sodann) – zunächst gemeinsam in Sachsen auf Mörderfang ging und zwei Jahre später zu einem nicht minder sehenswerten Rückspiel in Köln zusammenfand.

Als gute Entscheidung der Drehbuchautoren erweist sich jene, die Neuauflage des Quartetts auch diesmal wieder paarweise auf Tuchfühlung gehen zu lassen: Über den subtilen Flirt zwischen Eva Saalfeld (Simone Thomalla) und Freddy Schenk, bei dem Thomalla auf die zuverlässige Wirkung ihrer dunklen Augen zurückgreift, darf ebenso herzhaft geschmunzelt werden wie über die schmerzhafte erste Begegnung der "harten Hunde" Andreas Keppler (Martin Wuttke) und Max Ballauf und deren späteren verkrampften Abschied.

Dem Straßenkind-Milieu, dessen Protagonisten in ihren Punk-Outfits seltsam kostümiert wirken, gewinnen die Filmemacher hingegen wenig Neues ab: Allenfalls der schmierige Olaf Dürer (Sebastian Weber), der den jugendlichen Ausreißerinnen gegen entsprechende Dienstleistungen ein Dach über den Kopf anbietet, erweitert die soziale Problematik um einen bis dato weniger beleuchteten Aspekt.

Dass die Spannungskurve über die gesamten eineinhalb Stunden meist gegen den Nullpunkt tendiert, ist angesichts der doppelt so langen Spieldauer des als Zweiteiler angelegten Krimis zwar nicht überraschend, mit der direkt folgenden Fortsetzung am Ostermontag (Ihr Kinderlein kommet) allein aber nur bedingt zu entschuldigen.

Bewertung: 5/10

Alles hat seinen Preis

Folge: 833 | 1. April 2012 | Sender: rbb | Regie: Florian Kern
Bild: rbb/Daniela Incoronato
So war der Tatort:

Kleingewerblich – und eigenwerblich.

Denn dass die ARD den 833. Tatort ausgerechnet dafür missbraucht, penetrant Eigenwerbung für das Flaggschiff der deutschen Nachrichtensendungen – die tagesschau – zu betreiben, verwundert doch sehr. Schließlich sind die Quoten seit jeher auf hohem Niveau stabil.

Trotzdem nötigt das debütierende Autorengespann um Michael Gantenberg und Hartmut Block den Ermittler mit der Berliner Schnauze, Lutz Weber (Ernst-Georg Schwill), dazu, den Todeszeitpunkt des Taxi-Unternehmers Klemke auf "irgendwann zwischen tagesschau und sechs Uhr morgens"  festzulegen.

Und die tatverdächtige Christa Meinecke (Tatjana Blacher, Engelchen flieg), die gleich eine ganze Reihe kleinerer Kiezgewerbe mit faulen Krediten ausstattet, gibt bei der Frage nach ihrem Alibi zu Protokoll, dass sie "so nach der tagesschau"  beim Mordopfer aufgeschlagen sei. Soso.

Fleißige Nachrichtengucker sind sie also, die Berliner, Realisten, aber wenn es darum geht, ihren eigenen kleinen Laden aufzumachen und sich dafür bei ihrer Bank Geld zu leihen, vernebelt der Traum von der Selbständigkeit leicht das gesunde Gespür fürs lohnende Geschäft.

Regisseurin Dorothee Schön (Der Wald steht schwarz und schweiget) zeichnet in diesem Krimi ein jederzeit authentisches – zugleich aber leider entsetzlich langweiliges – Bild von den herbstlichen Szenebezirken der Großstadt, in denen man sich an jeder Ecke vegane Sojamilch in seinen Cappuccino kippen und fair getradete Kaffeebohnen erwerben kann.

Das Spannendste an Alles hat seinen Preis ist fast noch die Frage, wer denn beim nächsten Mal das ewige Wettrennen zum nächsten Einsatzort gewinnt – der autofahrende Hauptkommissar Till Ritter (Dominic Raacke) oder der überzeugte Radfahrer und Kollege Felix Stark (Boris Aljinovic).

Zugegeben: Die Verhörszenen mit dem türkischen Taxifahrer Bülent Delikara (Oktay Özdemir) machen Laune und generieren den einen oder anderen Lacher, können die minutenlangen Durchhänger bei den Ermittlungen im Banken- und Kreditmilieu, die Ritter und Stark immer wieder in den Lebensmittelladen der verträumten Ziska Zuckowski (Alwara Höfels, Schmuggler) und ihres weitaus vernünftigeren Bruders Pit (Christian Blümel, Kaltes Herz) führen, aber kaum aufwiegen.

Überraschende Wendungen bleiben bis zum finalen Twist aus – und der funktioniert auch nur, wenn der Zuschauer vom ungeschriebenen Gesetz, dass im Tatort häufig der oder die prominenteste Nebendarsteller/in für den Mord verantwortlich zeichnet, noch nie gehört hat.

Bewertung: 4/10