... es wird Trauer sein und Schmerz

Folge: 747 | 15. November 2009 | Sender: NDR | Regie: Friedemann Fromm
Bild: NDR/Marc Meyerbröker
So war der Tatort:

Poetisch.

Es wird Trauer sein und Schmerz, schreibt er nämlich, der Sniper – neudeutsch für die Mördergattung, die früher mal "Scharfschütze" hieß – auf die stilvollen Beileidskarten, die er den trauernden Angehörigen der Opfer nach seinen Anschlägen regelmäßig zukommen lässt. Oder: "Es wird Stille sein und Leere."

Intelligent ist der Serientäter als solcher in Krimis ja meistens, und darüber hinaus "immer noch ein großes Faszinosum für uns Schriftsteller", wie Martin Felser (Ingo Naujoks) bei seinem vorletzten Auftritt an der Seite von der niedersächsischen LKA-Kommissarin Charlotte Lindholm (Maria Furtwängler) eingesteht.

Für den Zuschauer gilt natürlich das Gleiche – stellt sich doch zuerst die Frage nach Psyche und Mordmotiv des Täters. Dieses soll als Dreh- und Angelpunkt des Films natürlich nicht verraten werden, wenngleich Regisseur Friedemann Fromm (Außer Gefecht) es bereits nach einer knappen Tatort-Stunde offenlegt.

Er ist kein Wahnsinniger, der Sniper, sondern ein von Hass und Verachtung getriebener Killer, dem die blonde Hauptkommissarin nach seiner Verhaftung fast ein wenig Verständnis entgegenbringt.

Es wird Trauer sein und Schmerz ist gleich aus mehreren Gründen eine der besten Lindholm-Folgen: Da sind zum einen die guten Darsteller, von denen keiner enttäuscht – gelegentliche Over-Acting-Einlagen von Sven Lehmann (Mauerpark) in der Rolle des Kollegen Kai Bergmann einmal ausgenommen.

Selbst Burda-Gattin Maria Furtwängler, als großverdienende Schauspielerin bei den vielen Fans der Krimireihe seit jeher nicht unumstritten, weint in der letzten Sequenz sekundenlang, ohne sich dabei die schützende Hand vors Gesicht zu halten und als schlechte Auf-Kommando-Schluchzerin zu outen.

Zum anderen ist es das starke Drehbuch von Astrid Paprotta (Der letzte Patient), die einleitend genüsslich eine falsche Fährte auslegt, auf die man als Zuschauer fast zwangsläufig hereinfallen muss.

Auch Lindholms ständiger Knartsch mit dem mürrischen Kollegen Kohl (Felix Vörtler, Klassentreffen) bringt gehörig Leben in die Jagd auf den in immer kürzeren Abständen mordenden Schützen, wenngleich die Streitereien im Polizeipräsidium schon nach wenigen Filmminuten vorprogrammiert sind.

Macht nichts: Der 747. Tatort überrascht an anderer Stelle – und verteilt zudem berechtigte Seitenhiebe auf Gaffer, die bei Verkehrsunfällen die Rettungswege blockieren und die Handykamera zücken.

Bewertung: 8/10

Schweinegeld

Folge: 746 | 1. Mai 2009 | Sender: rbb | Regie: Bodo Fürneisen
Bild: rbb/Christiane Pausch
So war der Tatort:

Ritterarm.

Hauptkommissar Till Ritter (Dominic Raacke) bekommt im 746. Tatort nämlich schon nach wenigen Minuten gehörig eins auf die Mütze und fällt verletzungsbedingt für den Rest der Episode aus.

Armer Ritter.

Und armer Felix Stark (Boris Aljinovic): Muss der doch angesichts seines ans Krankenhausbett gefesselten Stammpartners notgedrungen seinen biederen Kollegen Weber (Ernst-Georg Schwill), der ansonsten eigentlich nur die zweite bzw. dritte Geige im Ensemble aus der Hauptstadt spielt, mit auf seine Schlachthofbesuche nehmen.

Aber alles halb so schlimm: Weber wird zwar gelegentlich vom Chef im Ring gemaßregelt, erweist sich ansonsten aber als zuverlässige Vertretung, dank deren Berliner Schnauze soviel berlinert wird wie in keiner anderen der zum Zeitpunkt der Erstausstrahlung 21 gemeinsamen Folgen mit Ritter und Stark.

Und ganz ohne den mit einem dicken Turban verarzteten Ritter geht es natürlich auch nicht: Neben einigen Anrufen und dem obligatorischen Krankenhausbesuch, bei dem Ritter seinen Kollegen nach allen Regeln der Kunst auf den Arm nimmt, widmet das eingespielte Drehbuchautorenduo um Thorsten Wettcke und Christoph Silber, das bereits Hochkaräter wie Auf der Sonnenseite oder die Krimikomödie Zwischen den Ohren verantwortete, dem verhinderten Ermittler auch die letzte Sequenz, in der Ritter einmal mehr seine Frauenheld-Image unterstreichen darf.


STARK:
Hast du die eigentlich alle kennengelernt? Die Schwestern hier?

RITTER:
Fast alle.


Ansonsten steht der Tatort ganz im Zeichen des Gammelfleischskandals, der in den Jahren und einige Monate vor der Erstausstrahlung bundesweit hohe Wellen geschlagen und für Empörung auf breiter Front gesorgt hatte.

Regisseur Bodo Fürneisen (Tödlicher Einsatz) verzichtet angenehmerweise auf Ekelbilder und den mahnenden Zeigefinger – stattdessen überlässt er in Schweinegeld dem Zuschauer die Entscheidung, ob unbeschwerter Fleischkonsum heute überhaupt noch möglich ist.

Für Vorzeigemacho Ritter ("Ich lass' mir doch von so 'nem bisschen Gammelfleisch nicht den Appetit verderben.") ist der Fall klar. Stark hingegen tappt bei seiner Suche nach dem Mörder lange im Dunkeln, deckt aber ganz nebenbei einen geradezu grotesken Subventionsbetrug, der sich von der Ukraine über Polen und Berlin bis nach Belgien streckt, auf. Das ruft zwar auf Knopfdruck die gewünschte Empörung beim Publikum hervor, gestaltet sich aber selten wirklich spannend.

Immerhin: Zum gut aufgelegten Cast zählen bekannte Gesichter wie die leinwanderfahrene Johanna Gastdorf (Tempelräuber) und Lucas Gregorowicz gibt in der wichtigsten Nebenrolle ein seltenes Krimi-Gastspiel (später ermittelt er dann als Polizeiruf 110-Kommissar im deutsch-polnischen Grenzgebiet. Ob auch in diesem Tatort der prominenteste Nebendarsteller der Mörder ist?

Knifflig ist die Auflösung jedenfalls nicht.

Bewertung: 6/10