Der lange Arm des Zufalls

Folge: 473 | 8. Juli 2001 | Sender: SFB | Regie: Ralph Bohn
Bild: Pressebilderdienst Kindermann/ARD
So war der Tatort:

Zufällig. Oder vielleicht doch nicht? 

Der arbeitslose Nico Durow (Rainer Strecker, Brandwunden) überfällt in der hochspannenden Auftaktsequenz ausgerechnet an dem Tag einen Geldtransporter, an dem der amerikanische Pelzhändler Peter Forster (Jochen Horst) 3,1 Millionen Mark in bar zu einer Bankfiliale liefern lässt, in der seine Ehefrau Jennifer (Claudia Michelsen, Das Dorf) gerade am Geldautomaten steht. Vor der Tür wartet zudem Foster-Töchterchen Maike (Leoni Benice Baeßler) im Wagen, der Zündschlüssel steckt. Der Überfall geht schief, Durow erschießt den Sicherheitsmann und flieht ausgerechnet im Auto der Frau, deren Mann er gerade um einen siebenstelligen Betrag erleichtern wollte. Auf dem Rücksitz: die Tochter. 

Alles nur Zufall? 

Man könnte fast meinen, Drehbuchautor Lienhard Wawrzyn (Der Duft des Geldes) hätte am ebenfalls sehr auf dem Zufallsprinzip basierenden Skript zur Vorgängerfolge Berliner Bärchen, in der Hauptkommissar Felix Stark (Boris Aljinovic) sein Debüt an der Seite von Till Ritter (Dominic Raacke) feierte, Gefallen gefunden und diesmal die Flucht nach vorn angetreten: Wenn das Drehbuch schon konstruiert ist, dann machen wir das ganze einfach zum Motto. 

Leider sind es aber vor allem die weniger mit dem Mord zusammenhängenden Zufälle, die die Geschichte über weite Strecken ziemlich hanebüchen wirken lassen: Allein die Tatsache, dass Jennifer Foster mit Tochter Maike zu einem Kindergeburtstag fährt und das aufgeweckte Mädchen dabei zufällig ihren seelenruhig durch Berlin spazierenden Spontan-Entführer am Straßenrand wiederentdeckt, kommt in der Millionen-Metropole der Wahrscheinlichkeit eines Sechsers im Lotto gleich.

Überhaupt scheint der flüchtige Übeltäter keinen nennenswerten Gedanken daran zu verschwenden, von der Polizei aufgegriffen zu werden: Durow, der bei der Tat einen ledernen Boxhelm trägt, geht im Anschluss wie selbstverständlich in der Boxhalle von Axel Schulz (s. Bild) trainieren und setzt sich tagsüber unbehelligt in seine Stammkneipe. 

Ritter und Stark, die diesmal fast im Zehn-Minuten-Takt von Assistent Lutz Weber (Ernst-Georg Schwill) Kaffee gereicht bekommen, scheinen sich in Der lange Arm des Zufalls aber ohnehin nur am Rande für die Ergreifung des Täters zu interessieren: Ritter versucht, in funkelnden Las Vegas-Hemden bei der illegal in Deutschland arbeitenden Marina Kouptsowa (Valentina Sauca) zu landen, während der alleinerziehende Stark seinen Sohn bei einer Freundin einquartiert und geduldig mit der fantatrinkenden Maike Phantombilder puzzlet. 

Die durchlebt in ihrem Elternhaus zwar nächtliche Todesängste und steht im Brennpunkt eines transatlantischen Familiendramas, versteckt sich aber abgebrüht in Mülltonnen, statt einfach mal ein Tränchen zu verdrücken. Das schont zumindest das Nervenkostüm des Zuschauers. 

Anders verhält es sich mit Pelzhändler Foster: Jochen Horst permanent zu Ami-Akzent und englischen Phrasen zu nötigen, nervt schon bei dessen erstem Auftritt und macht den 473. Tatort zur unnötig bilingualen Angelegenheit. Hier wäre weniger eindeutig mehr gewesen. 

So bleibt außer der von Regisseur Ralph Bohn (Eine ehrliche Haut) hervorragend in Szene gesetzten Auftaktsequenz, den mehr als eigenwilligen Till-Ritter-Outfits und einem granatenschlecht schauspielernden Axel Schulz am Ende wenig Sehenswertes in Erinnerung.


SCHULZ:
Was wollt ihr beede denn? Probetraining sicherlich nich, oder?


Bewertung: 4/10

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