Berliner Bärchen

Folge: 466 | 25. März 2001 | Sender: SFB | Regie: Detlef Rönfeldt
Bild: MDR/RBB
So war der Tatort:


Nicht ganz so bärenstark, wie es der Krimititel Berliner Bärchen, das knuffige Maskottchen und der Nachname des neuen Berliner Ermittlers Felix Stark (Boris Aljinovic) nahelegen mögen. 

Beim ersten Einsatz des alleinerziehenden Vaters an der Seite von Hauptkommissar Till Ritter (Dominic Raacke), der zuvor sechsmal mit Robert Hellmann (Stefan Jürgens, Der Trippler) in der Hauptstadt auf Verbrecherjagd ging, bringt nämlich vor allem einer den 466. Tatort voran: Kommissar Zufall. 

Zufällig fährt Stark an seinem ersten Tag seinem neuen Kollegen die Stoßstange kaputt, zufällig muss der schusselige Ritter sich das nötige Kleingeld für einen Lottoschein beim anfangs noch ungeliebten Kollegen borgen, zufällig knackt er mit diesem Lottoschein dann auch noch den Jackpot, und zufällig ist ausgerechnet dieser Millionenschein nach einem Einbruch wie vom Erdboden verschluckt. 

Als wäre das nicht schon genug, verknüpfen die Drehbuchautoren Andreas Pflüger (Waidmanns Heil) und Pim Richter (Gestern war kein Tag) diesen humorvollen Nebenstrang der Handlung, der bei den Münsteraner Kollegen Frank Thiel (Axel Prahl) und Professor Karl-Friedrich Boerne (Jan Josef Liefers) vermutlich zum Abbrennen eines stattlichen Gag-Feuerwerks geführt hätte, auch noch mit dem Raubmord in einer Grunewalder Villa, den Ritter und Stark gemeinsam aufklären müssen – das wirkt doch arg konstruiert. 

Immerhin: Ritters plötzliche Erkenntnis und vor allem Starks barsche Reaktion bei der finalen Verfolgungsjagd sorgt für einen späten Lacher.


RITTER:
Die hat unseren Lottoschein! Ja, klar! Zugriff! Zugriff!

STARK:
Bist du völlig durchgeknallt? Wer soll denn hier zugreifen, du Arsch?


Man muss kein Prophet sein, um vorherzusagen, dass weder Ritter, noch sein neuer Kollege Stark am Ende als frischgebackene Millionäre den Dienst im Berliner Polizeipräsidium quittieren – allen Pöbeleien gegenüber dem peniblen Vorgesetzten Wiegand (Veit Stübner, Ausgespielt) zum Trotz. 

Weil der von Detlef Rönfeldt (Brandwunden) inszenierte Tatort zudem als klassischer Whodunit angelegt ist, fällt auch die Identifizierung des Täters leicht: Der gewohnt glänzende Alexander Radszun (Der Fall Schimanski), der schon in so gut wie jedem deutschen Krimiformat mal einen Mörder spielen durfte, mimt mit dem eiskalten Killer Marco Köhler einmal mehr den Vorzeige-Bösewicht. 

Anders als der Zuschauer, der von Beginn an über die Begleitumstände der Tat im Bilde ist, haben Ritter und Stark hier vor allem das Wie und das Warum zu klären. Natürlich prallen dabei die verschiedenen Welten des aufbrausenden Junggesellen und Casanova Ritter und des besonneneren Familienmenschen Stark aufeinander.

Erinnert ein wenig an die Kölner Kollegen Ballauf und Schenk – spielt aber nicht am Rhein, sondern an der Spree.

Bewertung: 6/10

Ein mörderisches Märchen

Folge: 464 | 4. März 2001 | Sender: BR | Regie: Manuel Siebenmann
Bild: BR/Von Vietinghoff Filmproduktion GmbH/Walter Wehner
So war der Tatort:

Märchenhaft.

Im treffend betitelten Tatort Ein mörderisches Märchen vergehen gerade einmal fünfzehn Minuten, bis die Handschellen klicken: Die Münchner Hauptkommissare Ivo Batic (Miroslav Nemec) und Franz Leitmayr (Udo Wachtveitl) stecken den schrulligen Schreiner Ludwig Gruber (Hilmar Thate) in Untersuchungshaft – denn der hat nicht nur kleinen Kindern in Batic' Nachbarschaft regelmäßig Märchen vorgelesen, sondern vor allem einen sturen Postbeamten im Affekt getötet und auf einer Waldlichtung vergraben.

Für die Ermittler beginnt das Spiel um Leben und Tod damit allerdings erst: Vor seiner Festnahme hat Gruber die kleine Anna Santiago (Pamela Marquardt) entführt und an einem geheimen Ort in einen Brunnen gesperrt – und er ist nicht dazu bereit, die genaue Lage des Verstecks einfach so preiszugeben.

Wer wie Leitmayr sein staubiges Märchenbuch vom Dachboden holt, genießt in der Folge einen entscheidenden Wissensvorsprung gegenüber anderen Zuschauern: Gruber nutzt die berühmten Zitate aus den Geschichten der Gebrüder Grimm, die er immer wieder wie ein Mantra aufsagt und sogar an die Wände seiner Zelle schreibt, als versteckte Botschaften für den Aufenthaltsort des kleinen Mädchens.

Statt des üblichen Auswertens der Ergebnisse der Spurensicherung oder mühsamen Befragungen verschiedener Verdächtiger konzentriert sich die Ermittlungsarbeit der routinierten Kommissare, die wie gewohnt von ihrem fleißigen Assistenten Carlo Menzinger (Michael Fitz) unterstützt werden, daher auf Buchstabenrätsel und Hinweis-Interpretationen in bester Benjamin-Gates-Manier. Das hört sich dann etwa so an:


LEITMAYR:
Ich hab' da so ein komisches Zorro-Zeichen gefunden - eingeritzt an einem Baumstamm. Und dann hat mich 'ne Eule angegriffen.


Im 28. Fall von Batic und Leitmayr bewahrheitet sich einmal mehr ein ungeschriebenes Tatort-Gesetz: Wenn die Zuschauer den Mörder von Anfang an kennen und dieser richtig schön böse und durchtrieben ist (vgl. Der kalte TodHerz aus Eis), kommt am Ende oft ein richtig guter Krimi dabei heraus.

Regisseur Manuel Siebenmann (Nur ein Spiel) und Drehbuchautor Daniel Martin Eckhart (Große Liebe) haben mit Ein mörderisches Märchen einen solchen geschaffen: Zwar fällt die Mördersuche vor dem heimischen Fernseher im 464. Tatort anders als in den meisten anderen Folgen der Krimireihe aus, aber Grubers rätselhafte Hinweise sind eine sehr willkommene Abwechslung zum gewohnten "Wo waren Sie gestern Abend zwischen 20 und 22 Uhr?"-Prinzip.

Hier liegt zugleich eine der wenigen Schwachstellen des Films: Einige Rätsel gestalten sich derart ausgefallen, dass Batic und Leitmayr gleich mehrfach Kommissar Zufall zu Hilfe eilen muss – und eine halbe Stunde mehr Laufzeit hätte der im Eiltempo erzählten Geschichte durchaus gut getan. Auch Grubers Charakterisierung als Mastermind, das scheinbar jeden noch so spezifischen Schritt der Polizei vorausahnt, wirkt nicht immer glaubwürdig.

Dennoch: Allein der großartige Auftritt des stets an der Grenze zum Overacting wandelnden Hilmar Thate ("Ich bin der böse Wolf..."), der mit seinem grauen Bart tatsächlich ein wenig an Rotkäppchens Widersacher erinnert, ist das Einschalten wert. Er spielt Gruber sehr facettenreich: Mal gibt er den netten Märchenonkel, dann wieder den wahnsinnigen Psychopathen und schließlich wieder einen vom Leben gezeichneten alten Mann, der ein schlimmes Trauma aus seiner Kindheit nicht überwunden hat. Am stärksten fallen die Verhörsequenzen mit Batic und Leitmayr aus: Wenn Gruber beim Gedanken an das eingesperrte Mädchen und die Ohnmacht der Kommissare selbstgefällig grinst, schürt das nicht nur bei den Kommissaren, sondern auch beim Publikum gezielt Aggressionen.

Und dann ist da noch der ungewöhnliche Showdown, in dem der Mörder und Kindesentführer trotz seiner Gräueltaten ein wenig Menschlichkeit zurückgewinnt und Batic und Leitmayr ein letztes großes Rätsel aufgibt.

Bewertung: 8/10