Liebe, Sex, Tod

Folge: 356 | 6. April 1997 | Sender: BR | Regie: Peter Fratzscher
Bild: BR/Bavaria Film/Studio Lemm
So war der Tatort:

Cineastisch. 

Denn in kaum einen zweiten Tatort – vom siebzehn Jahre später ausgestrahlten Wiesbadener Meilenstein Im Schmerz geboren einmal abgesehen – finden sich so viele Anspielungen auf berühmte Hollywood-Filme wie im Münchner Tatort Liebe, Sex, Tod

Schon in der Eröffnungssequenz verweisen Drehbuchautor Christian Jeltsch (Außer Gefecht) und Regisseur Peter Fratzscher (Der Finger), beide zum ersten, aber bei weitem nicht zum letzten Mal für die Krimireihe im Einsatz, auf Alfred Hitchcocks Meisterwerk Das Fenster zum Hof: Der alleinstehende Verkehrspolizist Felix Rust (Dietmar Mössmer, Die Heilige) beobachtet von seiner Wohnung aus mit dem Fernglas das gegenüberliegende Wohnhaus – und hat besonderen Gefallen an Ira Berg (Alana Bock) gefunden, die in Travis-Bickle-Manier vorm Spiegel posiert und die berühmtesten Zeilen aus Martin Scorseses 70er-Jahre-Klassiker Taxi Driver zitiert. 

Kurz darauf wird Rust tot aus einem See gezogen und Stalking-Opfer Berg zur Verdächtigen, was der Videotheken-Angestellten die Gelegenheit für weitere Hollywood-Verweise gibt: Mehr als einmal bringt sie Franz Leitmayr (Udo Wachtveitl) mit täuschend echt nachgestellten Mordszenen oder ansatzlos eingestreuten Zitaten in Rage – der Münchner Hauptkommissar lässt sich ein ums andere Mal narren. 

Aber auch Ivo Batic (Miroslav Nemec) kommt sich gelegentlich vor wie im falschen Film: Die Sequenz, in der sich die beiden Ermittler in einer Bar auf Blind Dates mit weiblichen Kontakten des Mordopfers einlassen (s. Bild), erinnert an die Eddie-Murphy-Komödie Der Prinz aus Zamunda und zählt zugleich zu den spaßigsten des Krimis. 

Bei ihren Ermittlungen unterstützt werden die Kommissare ansonsten nicht nur von ihrem Assistenten Carlo Menzinger (Michael Fitz), sondern auch von Pathologie-Chefin Katrin (Barbara Rudnik, Odins Rache) – die hat sich zwar gerade erst von Leitmayr getrennt, sieht aber kein Problem darin, nun mit Batic anzubandeln.


KATRIN:
Never fuck a winning team? Es ist vorbei mit ihm.

BATIC:
Ja, für dich.


Über eine Anspielung auf Ron Howards Science-Fiction-Drama Cocoon und die "Freundschaftsdienste" einer Münchner Sex-Agentur für die oberen Zehntausend entspinnt sich der rote Faden im 356. Tatort, in dem der pragmatische Titel Liebe, Sex, Tod (bis heute der einzige Tatort mit dem Wort "Sex" im Titel) Programm ist: Batic und Leitmayr treffen auf neugierige Hobby-Prostituierte, schmierige Freier, einsame Herzen und ungeschickte Flirtschüler, sie begegnen der rothaarigen Jungfer Judith, ihrem Bruder Lukas (Oliver Hasenfratz, Renis Tod) und so mancher barbusigen Frau. 

Die unverhohlene Nacktheit, die in den 90er Jahren so fest zum Tatort zählt (vgl. Inflagranti, Der kalte Tod) wie die Schleichwerbung (hier u.a.: ein Pritt-Stift auf Batic' Schreibtisch und eine Dose Mezzo Mix beim Showdown), ist als pures Eye Candy nie wirklich nötig – besonders deutlich wird dies in einer Szene, in der Batic aus der Wohnung des Mordopfers blickt und auf dem Dach eine Nachbarin entdeckt, die ihre üppigen blanken Brüste ungeniert in der Sonne bräunt. 

Während der kroatische Kommissar sich mit kleineren Tricks (zum Beispiel Hemden aus der Kühlbox) gegen die brütende Hitze zu wappnen weiß und kaum einen Schweißtropfen verdrückt, schwitzt und ächzt sich sein deutscher Kollege Leitmayr durch den Münchner Hochsommer: Das unterschiedliche Wärme-Empfinden der beiden Ermittler muss für einen schwachen Running Gag herhalten, der schon beim dritten Mal nicht mehr lustig ist und bis zur Schlusssequenz durchexerziert wird. 

Im Hinblick auf das Mordmotiv und die Auflösung ist der 16. Fall von Batic und Leitmayr ebenfalls leicht zu durchschauen, was aber nicht an einer Schwäche des etwas konfusen Drehbuchs, sondern an der technischen Umsetzung des entscheidenden Twists liegt: Wer genau hinsieht und hinhört, wird früh feststellen, dass in diesem Tatort jemand mit gezinkten Karten spielt. 

Die Schlusswendung verpufft damit ohne Verblüffungseffekt, weil die Kommissare diesmal offenbar Tomaten auf den Augen und Petersilie in den Ohren haben. Das Gros der Zuschauer dürfte ihnen bei den Ermittlungen damit um Längen voraus sein – kann sich stattdessen aber an einem Wettbewerb versuchen, wer in diesem Tatort die meisten Anspielungen auf andere Filme entdeckt. Da zählt die Parallele zu Alfred Hitchcocks Suspense-Meisterwerk Psycho noch zu den auffälligsten.

Bewertung: 5/10