Der Maulwurf

Folge: 926 | 21. Dezember 2014 | Sender: MDR | Regie: Johannes Grieser
Bild: MDR/Andreas Wünschirs
So war der Tatort:

Anglizismenfrei – und nicht nur deshalb ist die Kurskorrektur, die der MDR beim zweiten Einsatz des jüngsten Tatort-Teams aller Zeiten vornimmt, unübersehbar.

Der pseudocoole Jugendslang ("Fuck 'n Go?"), zu dem die Erfurter Kommissare bei ihrem Debüt in Kalter Engel genötigt wurden, ist Geschichte, und auch ihre Energydrinks sucht man in Der Maulwurf ebenso vergeblich wie Fanartikel von Rot-Weiß Erfurt, mit denen dem schwachen Vorgänger vergeblich Lokalkolorit eingeprügelt werden sollte. Alles neu, alles besser?

Leider nicht: Der zweite Fall von Hauptkommissar Henry Funck (Friedrich Mücke), Oberkommissar Maik Schaffert (Benjamin Kramme) und Neu-Kommissarin Johanna Grewel (Alina Levshin), die in Kalter Engel noch als Praktikantin ermittelte, bietet zwar weniger Angriffsfläche als der desaströse Vorgänger, ist aber bei weitem noch kein überzeugender Krimi.

Dabei geht es vielversprechend los: Die einleitende Beerdigung, bei der der inhaftierte Rotlichtkönig Timo Lemke (Werner Daehn) beim Freigang flieht und einen Polizisten erschießt, wird spannend und authentisch in Szene gesetzt – was aber nicht zuletzt daran liegt, dass die Kommissare hier noch nicht auf der Bildfläche erscheinen. Die wirken nämlich auch weiterhin wie Abziehbilder realer Geschöpfe.

Ihre Dialogzeilen klingen aufgesagt und steif, die Blicke wirken gekünstelt und einstudiert, und so bleibt ihre Jugend weiterhin bloße Behauptung. Vor allem Funck kauft man den betont versiert agierenden Teamleiter, der nach der baldigen Entführung von Chefin Petra "Fritze" Fritzenberger (Kirsten Block) in der Verantwortung steht, nur selten ab – da kann er am Ende noch so treffende Binsenweisheiten zum Besten geben.


FUNCK:
Wir alle machen Fehler. Wichtig ist, daraus zu lernen.


Auch der MDR hat aus seinen Fehlern gelernt: Nach der vernichtenden Pressekritik zu Kalter Engel (die unrühmlich in einer verweigerten Interviewfreigabe gipfelte) landete ein bereits fertiges Drehbuch zum zweiten Fall angeblich im Papierkorb. Stattdessen schickt der Sender mit Regisseur Johannes Grieser (Nasse Sachen) und den Drehbuchautoren Leo P. Ard (Todesspiel) und Michael B. Müller drei vielfach krimierprobte Filmemacher ins Rennen.

Die gehen auf Nummer Sicher und reihen im 926. Tatort einfach all das aneinander, was auch in anderen Städten funktioniert: Entführte Kolleginnen zum Erzeugen künstlicher Spannung (vgl. Ihr Kinderlein kommet oder Der Wald steht schwarz und schweiget), eine prominent besetzte Nebenrolle als todsicheren Tipp für die richtige Auflösung (vgl. Letzte Tage oder Schwindelfrei), die obligatorische Zwischengrätsche vom LKA und nicht zuletzt SEK-Einsätze, wenn sich mal wieder Leerlauf in die Handlung eingeschlichen hat. Der Maulwurf bietet nichts, was man am Sonntagabend nicht schon dutzendfach gesehen hätte.

Mitreißend ist das selten, und manchmal sogar unfreiwillig komisch: Schaffert beispielsweise wirkt beim Bestellen von alkoholfreiem Bier in einem taghell ausgeleuchteten Striplokal (in dem vor Einbruch der Dunkelheit bemerkenswerter Andrang herrscht) wie ein schüchterner Teenager vorm Tittenheft-Regal, während eine Stangentänzerin lustlos zu Lil Jons Turn Down For What die Hüften schwingt. Man stelle sich diese Szene mit Horst Schimanski oder Peter Faber vor!

Auch für zartbesaitete Zuschauer ist der Krimi nur bedingt empfehlenswert: Die psychische Gewalt bewegt sich zwar – anders in Franziska, der erst um 22 Uhr gesendet wurde – im Rahmen, doch gilt es einige brutale Szenen mit "Fritze" und ihrem Entführer Ingo Konzack (Oliver Stokowski, Königskinder) zu überstehen.

Wer sich angesichts der Vorhersehbarkeit und der flachen Spannungskurve einen Spaß machen möchte, sollte einfach mal zählen, wie oft die Kommissare (allen voran Grewel) nach einer Erkenntnis nachdenklich vor sich auf den Boden blicken – das Dutzend ist schon nach einer guten halben Stunde voll. Da ist es nicht verwunderlich, dass die Hauptdarsteller kurz nach der TV-Premiere entnervt den Dienst quittierten und ihr zweiter Tatort-Einsatz der letzte bleibt.

Bewertung: 3/10

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