Eine Handvoll Paradies

Folge: 869 | 7. April 2013 | Sender: SR | Regie: Hannu Salonen
Bild: SR/Manuela Meyer
So war der Tatort:

Ärmer – und zwar um seine einzige halbwegs amüsante Figur. 

Kein gutes Haar ließen wir im Januar 2013 an Melinda, dem umstrittenen Debüt der neuen Saarbrücker Hauptkommissare Jens Stellbrink (Devid Striesow) und Lisa Marx (Elisabeth Brück), und auch sonst fiel das Medienecho zum Klamaukfeuerwerk aus dem Saarland vernichtend aus. 

Einen kleinen Lichtblick gab es aber doch: Margot Müller (Silvia Bervingas), die Stellbrink und seiner jungen Begleiterin Melinda vorübergehend Unterschlupf gewährte, sorgte als kauzige Krimi-Expertin mit Eheproblemen wenigstens für ein paar halbwegs amüsante Dialogzeilen. Im Nachfolger ist der Publikumsliebling leider wieder Geschichte: Eine Handvoll Paradies wurde direkt im Anschluss an Melinda gedreht, weshalb es auch sonst für eine Kurskorrektur zu spät ist. 

Drehbuchautor Felice Goetze und Regisseur Hannu Salonen, der mit Verschleppt den spannendsten Tatort des Jahres 2012 inszenierte, setzen den zweifellos mutigen Weg des Saarländischen Rundfunks daher auch konsequent fort: Die Täterfrage ist zweitrangig, Spannung im Grunde keine auszumachen und alles einer hanebüchenen One-Man-Show der rollerfahrenden Knalltüte Stellbrink untergeordnet.

Dieses humorvolle Grundkonzept, das zwischenzeitlich mit einer grotesken Stellbrinkschen Alptraumsequenz zum Fremdschämen einlädt, wäre zu verkraften, wenn Eine Handvoll Paradies zumindest eine Handvoll guter Gags im Petto hätte – doch sorgfältig vorbereitete Pointen, freche Situationskomik oder beißender Dialogwitz sind über die komplette Spielzeit schlichtweg nicht vorhanden.


STELLBRINK:
Sag mal, ganz ehrlich: Wie hast du uns gefunden?


MARX:
Dein Roller hatte ein Leck im Tank.


Lebt der populäre Münsteraner Tatort trotz unverkennbarer Verschleißerscheinungen und dem einen oder anderen Fehltritt (vgl. Das Wunder von Wolbeck) noch immer passabel von seinem köstlichen Figurenkonzept, funktioniert dieses in Saarbrücken überhaupt nicht: Außer Stellbrink wird keiner der Ermittler mit charakterlichem Tiefgang unterfüttert.

Lara-Croft-Verschnitt Marx stagniert als austauschbares Anhängsel, und Staatsanwältin Dubois (Sandra Steinbach), die schon nach ihrer Feuertaufe in Melinda in den sozialen Netzwerken übel abgewatscht wurde, nervt auch bei ihrem zweiten Auftritt in jeder Szene.

Der konstruierte Konflikt zwischen Kommissaren und Staatsanwaltschaft verpufft zudem als letztlich bedeutungsloses Standardmotiv, weil Crazy Frog-Verschnitt Stellbrink den mit Sonnenbrillen und Kutten ausgestatteten Bilderbuch-Bikern ohnehin ständig allein auf seinem Roller hinterherflitzt.

Claude-Oliver Rudolph (Bienzle und der Champion) wird nach einem charismatischem Kurzauftritt völlig verschenkt und hätte dem 869. Tatort als Gangleader vermutlich besser zu Gesicht gestanden als der zweifellos engagierte Thomas Kautenburger (Im Namen des Vaters), der vergeblich gegen seinen bekloppten Spitznamen "Mutti" anspielt und auf seinem heißen Ofen so respekteinflößend wirkt wie ein Vorschüler auf einem Fahrrad mit Stützrädern. Auch das Abarbeiten müder Biker-Klischees (vgl. die ähnlich gelagerten Wegwerfmädchen und Das goldene Band) ist ärgerlich.

Blieb Melinda das zweifelhafte Prädikat Totalausfall und die Aufnahme in die Tops & Flops dank Margot Müller noch erspart, verdient es sich Eine Handvoll Paradies von Minute 1 bis 90 – und es dauert bis zum Müller-Comeback in Adams Alptraum, ehe der Striesow-Tatort erstmalig sehenswert ist.

Bewertung: 1/10

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